Satzungsgemäße Zuwendungen einer ausländischen Stiftung an im Inland steuerpflichtige Begünstigte unterliegen nicht der Schenkungsteuer

Satzungsgemäße Zuwendungen einer inländischen Stiftung an ihre Destinatäre unterliegen nicht der Schenkungsteuer, weil die Zuwendung nicht freigebig, sondern zur Erfüllung des Satzungszwecks erfolgt. Für ausländische Stiftungen kann nichts anderes gelten.

Es wird allerdings vertreten, dass vom Satzungszweck gedeckte Zuwendungen einer ausländischen Stiftung an inländische Begünstigte nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG steuerpflichtig sein könnten. Die Bestimmungen in § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2, Nr. 9 Satz 2 ErbStG zielen darauf ab, Vermögensübertragungen auf Trusts und Vermögensauskehrungen aus Trusts erfassen zu können. Trusts sind keine Stiftungen, sie sind insbesondere keine juristischen Personen, sondern unpersönliche Vermögensmassen. Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG erfasst neben der Grund- bzw. Erstausstattung des Trusts auch nachfolgende Vermögenszuführungen. Vermögensauskehrungen, die den Begünstigten während des Bestehens des Trusts zufließen, werden nur erfasst, wenn der Erwerber Zwischenberechtigter im Sinne dieser Norm zu qualifizieren ist.

Damit ergeben sich folgende Fragen: Sind (1.) Vermögenstransfers im Zusammenhang mit ausländischen Stiftungen unter die Sätze des § 7 Abs. 1 Nr. 8, 9 zu subsumieren und im Kontext dieser Vorschriften wie inländische Stiftungen zu behandeln oder (2.) handelt es sich um Vermögensmassen ausländischen Rechts, die unter die Sätze 2 dieser Normen fallen, mit der Folge, dass Vermögensauskehrungen, die nicht im Zusammenhang mit der Auflösung der Vermögensmasse erfolgen, nur dann besteuert werden können, wenn der Erwerber Zwischenberechtigter ist.

Der II. BFH-Senat hat völlig zu Recht im Jahr 2014 in einem AdV-Verfahren (Az. II B 40/14) bezweifelt, ob satzungemäße Zuwendungen einer ausländischen Stiftung an einen im Inland Begünstigten als Erwerb durch einen Zwischenberechtigten nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG zu qualifizieren ist (siehe hierzu unsere News vom 04.09.2019).

In einer aktuellen Entscheidung vom 03.07.2019 (II R 6/16) hat der II. BFH-Senat entschieden, dass vom Satzungszweck gedeckte Zuwendungen einer Schweizer Stiftung an einen im Inland steuerpflichtigen Begünstigten nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG allenfalls unter besonderen Voraussetzungen besteuert werden können. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte eine schweizerische Familienstiftung den im Inland steuerpflichtigen Begünstigten einen Millionenbetrag zugewandt. Stiftungszweck war die Unterstützung von Angehörigen der Familie zum Zwecke der Ausstattung. Nach den Bestimmungen der Stiftungsurkunde konnten die Unterstützungsleistungen an die Angehörigen der Familie einmalig in jugendlichen Jahren geleistet werden. Dabei hatte der Stiftungsrat im Rahmen des Stiftungszwecks nach eigenem Ermessen zu entscheiden, ob, wann und an wen eine Unterstützungsleistung zu zahlen war. Ein Rechtsanspruch auf die Gewährung von Mitteln aus der Stiftung bestand nicht.

Sowohl die Finanzverwaltung als auch das erstinstanzliche Urteil sind von einer steuerpflichtigen Zuwendung ausgegangen. Während die Finanzverwaltung die Steuerpflicht mit dem Tatbestand § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG begründet hat, hat das FG Baden-Württemberg darauf abgestellt, dass die Zuwendung an einen 29-jährigen keine Zuwendung an einen Familienangehörigen im jugendlichen Alter, damit nicht satzungsgemäß sei und infolgedessen schon nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Schenkungsteuer unterliege. Selbst wenn man dies nicht so sehe, wäre nach Ansicht des FG Baden-Württemberg subsidiär der Tatbestand § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG erfüllt.

Dem ist der BFH im Ergebnis zu Recht entgegengetreten. Zunächst stellt der BFH fest, dass es weder erforderlich noch zulässig sei, die formelle und materielle Satzungsmäßigkeit einer Zuwendung im finanzbehördlichen oder finanzgerichtlichen Verfahren einer uneingeschränkten Prüfung zu unterziehen. Das für die Zuwendung verantwortliche Stiftungsorgan habe einen weiten Beurteilungs- und Ermessenspielraum, der erst dann überschritten sei, wenn die Zuwendung von dem Satzungszweck eindeutig nicht gedeckt sei. Diese Einschätzungsprärogative könne von der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten nur eingeschränkt überprüft werden. Die Feststellungslast für die Überschreitung der Satzung obliege der Finanzverwaltung.

Nach Auffassung des BFH liegt keine eindeutige Satzungsüberschreitung vor, wenn die Stiftung Zuwendungen an Begünstigte in einer Altersklasse von 25 bis 35 Jahren noch als Ausstattung in jugendlichen Jahren qualifiziert, wenn dieser Begriff satzungsspezifisch ausgelegt wird. Dass die Stiftungssatzung Zuwendungen in Millionenhöhe an Jugendliche (d.h. Personen ab 14 Jahren) im Blick gehabt haben soll, sei unwahrscheinlich.

Der BFH hat ferner sein Verständnis des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG präzisiert. Diese Ausführungen dürften über den entschiedenen Einzelfall hinaus Bedeutung für die Gestaltungsberatung haben. Nach Auffassung des BFH kann Zwischenberechtigter nur sein, „wem unabhängig von einem konkreten Ausschüttungsbeschluss Rechte an dem Vermögen und/oder den Erträgen der Vermögensmasse ausländischen Rechts zustehen. Ein Zuwendungsempfänger, der keinen Anspruch auf Zuwendungen besitzt, gehört nicht dazu“ (Leitsatz). Da im entschiedenen Fall der Stiftungsrat nach eigenem Ermessen entscheiden konnte, ob, wann und an wen er Ausstattungsleistungen erbringt, hatten die Begünstigten keinen Anspruch auf diese Leistungen. Sie waren deshalb nicht Zwischenberechtigte, so dass eine Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG ausschied. In einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 2012 (II R 45/10) hatte der BFH noch sämtliche Personen als Zwischenberechtigte i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG qualifiziert, die während des Bestehens eines Trusts Auszahlungen aus dem Trustvermögen erhalten.

Diese Entscheidung hat insbesondere Bedeutung für sog. discretionary Trusts.

Zu bemängeln ist allerdings, dass der BFH den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht hat: Auf die Frage, wer Zwischenberechtigter sein kann, kommt es nur dann an, wenn die ausländische Stiftung nicht nur Stiftung und damit eine juristische Person ist – das hat der BFH im Rahmen seiner Prüfung der Satzungsmäßigkeit der Zuwendung inzidenter bejaht –, sondern auch dann, wenn die  ausländische Stiftung zugleich (!) als (unpersönliche) Vermögensmasse ausländischen Rechts zu qualifizieren ist. Beides ist schwer vorstellbar: Man kann nicht zugleich juristische Person und unpersönliche Vermögensmasse sein. Diese Frage hat der BFH noch nicht einmal angesprochen, geschweige denn (erkennbar) geprüft. Man darf sich nun den Kopf darüber zerbrechen, ob es sich bei den Ausführungen des BFH um ein obiter dictum handelt („… selbst wenn es sich um eine Vermögensmasse handeln würde, würde die Besteuerung an der fehlenden Zwischenberechtigung scheitern“) oder ob der BFH mit der Prüfung der Zwischenberechtigung inzidenter der Stiftung zugleich die Qualität einer Vermögensmasse attestiert hat. Letztere Ausdeutung erinnert an Schrödingers Katze und konfrontiert mit der Frage: Was hat die Schenkungsteuer mit der Quantenphysik gemein?

Zurück in die reale Welt: Durch entsprechende Ausgestaltung der Satzung bzw. Trusturkunde sollte sichergestellt werden, dass den potenziell Begünstigten kein Anspruch auf Zuwendungen zusteht, sondern die Entscheidung darüber allein im Ermessen des Stiftungsrats bzw. des Trustees liegt.

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