Gesellschaftsrecht: Wirkung der Gesellschafterliste beim Tod eines GmbH-Gesellschafters

Der Gesetzgeber hat durch das „MoMiG“ (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008) die Bedeutung der Gesellschafterliste erheblich verstärkt. Seither gilt im Verhältnis zur Gesellschaft nur noch als Gesellschafter, wer in der im Handelsregister aufgenommenen Ge-sellschafterliste eingetragen ist (positive Legitimationswirkung, § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Wer nicht eingetragen ist, gilt unabhängig davon, ob er materiell-rechtlich Gesellschafter ist, nicht als Gesellschafter (negative Legitimationswirkung).

Diese Regelung ist allgemein sehr problemanfällig, auch beim Versterben eines Gesellschafters können sich erhebliche Probleme ergeben.

Beispiel aus der Praxis:

A (51%) war zusammen mit B (49%) Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Beide sind in der Gesellschafterliste eingetragen. B verstirbt unerwartet und hinterlässt eine Lebenspartnerin und zwei Kinder von ver-schiedenen Frauen. Wer Erbe wird, ist A weder mitgeteilt noch nachgewie-sen worden.

Der Gesellschaftsvertrag enthält eine Reihe von sehr eng bemessenen Zustimmungserfordernissen für bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen. A fragt deshalb, ob er die Satzung der Gesellschaft ändern kann, weil er zukünftig als alleiniger Geschäftsführer handlungsfähig sein muss. Ferner möchte er seine Tätigkeitsvergütung erhöhen, da er nun allein die Geschäfte führt und deshalb wesentlich mehr arbeiten muss.

Der Notar beurkundet die Satzungsänderung, formuliert allerdings rechtlichen Zweifel an der Wirksamkeit der Beschlussfassung in der Urkunde. Das Registergericht, das die Satzungsänderung eintragen muss (§ 54 Abs. 1 S. 1 GmbHG), hat ebenfalls rechtliche Bedenken und erwägt, hierzu die Erben anzuhören.

Frage: Ist die von A allein beschlossene Satzungsänderung und Anpassung der Geschäftsführervergütung wirksam?

Sowohl für die Satzungsänderung (notarielle Beurkundung und Eintragung in das Handelsregister erforderlich) als auch für die Anpassung der Geschäftsführervergütung ist ein Gesellschafterbeschluss erforderlich und es fragt sich, ob und ggf. wie ein solcher zu fassen ist.

Zunächst müssen die Gesellschafter der Gesellschaft zur Gesellschafterversamm-lung geladen werden. Wer Gesellschafter ist, ergibt sich aus der Gesellschafterliste: die Erben, selbst wenn sie bekannt sind, müssen nicht geladen werden, solange sie nicht in der Gesellschafterliste eingetragen sind. Fraglich ist ferner, ob der ver-storbene Gesellschafter geladen werden muss. Das ist u.E. nicht der Fall. Sowohl das Recht auf Ladung als auch die korrespondierende Ladungspflicht endet mit dem Verlust der Rechtsfähigkeit, die mit dem Tod eintritt. Ein Verstorbener kann ungeachtet seiner fortdauernden Eintragung in der Gesellschafterliste nicht fiktiver Träger von Rechten aus der Eintragung sein.

Für das Teilnahmerecht gilt nichts anderes: Die noch nicht in die Gesellschafterliste eingetragen Erben haben kein Teilnahmerecht.

Allerdings könnte A als Geschäftsführer verpflichtet sein, eine geänderte Gesell-schafterliste zum Handelsregister einzureichen (§ 40 Abs. 1 GmbHG). Er ist jedoch nicht zu eigenen Nachforschungen verpflichtet: Die Änderung der Liste erfolgt „auf Mitteilung und Nachweis“ (§ 40 Abs. 1 Satz 4 GmbHG). Er kann also abwarten, bis ihm die Erbenstellung nachgewiesen wird. Solange das nicht geschehen ist, trifft ihn keine Pflicht.

Zum Teil wird vertreten, dass A die Bestellung eines Nachlasspflegers beantragen muss. Fraglich ist allerdings, was diese Maßnahme bewirken soll. Der Nachlasspfleger selbst kann nicht in die Gesellschafterliste eingetragen werden, kann also aus eigenem Recht keine fiktive Gesellschafterstellung erlangen. Denkbar ist allein, dass der Nachlasspfleger die Gesellschafterstellung der Erben für sich reklamiert, er also aus der Gesellschafterstellung der Erben abgeleitete Rechte geltend machen kann. Wenn diese Rechtsstellung aber gerade eine Eintragung in die Gesellschafterliste erfordert, müssen die Erben eingetragen sein, damit der Nachlass-pfleger ein Teilnahmerecht geltend machen kann. Das ist vorliegend nicht der Fall, sodass auch die Bestellung eines Nachlasspflegers kein Teilnahmerecht begründen kann, wenn die Erben nicht eingetragen sind.

Im Ergebnis hat allein A ein Teilnahmerecht. Die gefassten Beschlüsse sind – ungeachtet eventueller Beschlussmängel, solange diese nicht zur Nichtigkeit der Beschlüsse führen – wirksam und einzutragen.

Zum Eintragungsverfahren:

Die Erben könnten durch eine Anhörung vor Gericht auf die Problematik hingewiesen werden und darauf hinwirken, dass eine aktuelle Gesellschafterliste eingereicht wird. Das ist aber nicht der Sinn des Eintragungsverfahrens; vielmehr kann es bei diesem Verfahren nur darum gehen, die Rechtmäßigkeit des Gesellschafterbeschlusses vor allem in formeller Hinsicht zu prüfen. Dazu können die Erben indessen nichts beitragen, was dem Gericht nicht schon bekannt ist. Vor allem: Die Erben selbst können in diesem Verfahren nicht Beteiligte im strengen Sinne (§ 7 FamFG) sein, da sie nicht als Gesellschafter gelten: Die negative Legitimationswirkung der Gesellschafterliste schließt das aus. Andernfalls würde das Beschlussmängelrecht der GmbH auf den Kopf gestellt: Auch rechtswidrige Gesellschafter-beschlüsse, die nicht ausnahmsweise nichtig sind (§ 241 AktG), sind wirksam, wenn und solange sie nicht durch ein rechtskräftiges Gestaltungsurteil für nichtig erklärt sind (§ 248 AktG). Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn ein mangels Eintragung in die Gesellschafterliste nicht zur Erhebung der Anfechtungsklage befugter Gesellschafter im Rahmen des Eintragungsverfahrens die Eintragung eines Gesellschafterbeschlusses verhindern könnte.

Folgerungen für die Praxis:

Risiken und Chancen einer derartigen Konstellation sind umso größer, je größer die Beteiligung ist, in die der/die Erbe(n) nachfolgen.

Aus der Perspektive der verbleibenden Altgesellschafter eröffnet die geschilderte Gesetzeslage die Möglichkeit, in dem Zeitraum bis zur Mitteilung und Nachweis der Rechtsnachfolge ohne Eingriffsmöglichkeit der Erben wichtige Weichenstellun-gen vorzunehmen. Das kann bis zu einer Änderung des Unternehmensgegenstan-des und zu tiefgreifenden Strukturveränderungen gehen.

Aus der Sicht der Erben muss darauf hingewirkt werden, dass dem/den Geschäftsführern schnellstmöglich die Rechtsnachfolge mitgeteilt und nachgewiesen wird (Erbschein, europäisches Nachlasszeugnis, notarielles Testament mit Eröffnungs-niederschrift), um den Zeitraum, in dem die Altgesellschafter ohne Mitwirkung der Erben Beschlüsse fassen können, möglichst kurz zu halten.

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