30.12.2019

Erbschaftsteuer: Steuerbefreiung für Familienwohnheim entfällt bei Weiterübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt

BFH vom 11.07.2019, II R 38/16

§ 13 Nr. 4a, 4b und 4c ErbStG ermöglichen unter bestimmten Voraussetzungen den erbschaft- und schenkungsteuerfreien Erwerb des Familienwohnheims. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG ist die Schenkung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilie (sog. Familienwohnheim) zwischen Ehegatten schenkungsteuerfrei. Sofern keine missbräuchliche Gestaltung im Sinne des § 42 AO vorliegt, bleibt die Steuerbefreiung auch dann erhalten, wenn der beschenkte Ehegatte die Immobilie anschließend nicht mehr selbst nutzt oder veräußert. Geht die Immobilie allerdings durch Erbfall auf den Ehegatten (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG) oder die Kinder (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) über, gelten strenge Anforderungen für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung. So stehen insbesondere vom Erblasser angeordnete Weitergabeverpflichtungen oder die Übertragung im Rahmen der Erbauseinandersetzung der Steuerbefreiung entgegen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b/c Satz 2 ff. ErbStG). Beim Erwerb durch Kinder wird die Steuerbefreiung zudem nur insoweit gewährt, als die Wohnfläche des Familienheims 200 Quadratmeter nicht übersteigt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 a.E. ErbStG).

Darüber hinaus fällt die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b/c Satz 5 ErbStG „mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert“.

Der BFH hatte über die Frage zu entscheiden, ob eine Weiterübertragung des Familienheims innerhalb der Zehn-Jahres-Frist schädlich ist, wenn die Immobilie weiterhin vom überlebenden Ehegatten genutzt wird. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Ehefrau war Alleinerbin ihres im Jahr 2013 verstorbenen Ehemannes. Zum Nachlass gehörte auch der hälftige Miteigentumsanteil an einem Einfamilienhaus, in dem die Eheleute seither gemeinsam gewohnt hatten. Seit dem Tod des Ehemannes lebte die Ehefrau alleine im Einfamilienhaus. Im Jahr 2014 übertrug die Ehefrau das Einfamilienhaus unter Nießbrauchsvorbehalt auf ihre Tochter. Sie blieb weiterhin im Einfamilienhaus wohnen. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass durch die Übertragung die Steuerbefreiung rückwirkend nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG entfallen sei. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Der BFH bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts und des Finanzamts. Der BFH sieht den Nachversteuerungstatbestand auch in den Fällen als erfüllt an, in denen der Erwerber das Familienwohnheim weiterhin bewohnt, aber das Eigentum innerhalb der Behaltensfrist auf einen Dritten überträgt und wies daher die Revision der Ehefrau zurück. Der BFH bestätigt zwar, dass dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG nicht unmittelbar entnommen werden könne, dass eine Veräußerung bei Weiternutzung durch den überlebenden Ehegatten schädlich sei. Allerdings setze die Formulierung „nach dem Erwerb“ voraus, dass das Eigentum des überlebenden Ehegatten fortbestehe. Auch lasse sich aus der Formulierung „Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken“ ableiten, das Nutzung und Eigentümerstellung erforderlich sind. Eine solche Auslegung entspreche auch dem Sinn und Zweck der Regelung und dem Willen des Gesetzgebers. Mit der Regelung sollte das Familienheim als Teil der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft erhalten bleiben, weshalb das Wohnen als Mieter oder Nießbraucher nicht begünstigt sein könne. Zudem bestünde anderenfalls die Möglichkeit, das Familienwohnheim unmittelbar nach dem Tod des Ehegatten ohne Verlust der Steuerbefreiung auf einen Dritten zu übertragen, was der Zielsetzung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Sätze 2 bis 4 ErbStG widersprechen würde. Ohne Bedeutung ist nach Ansicht des BFH auch, dass bei lebzeitigen Schenkungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 a ErbStG keine Behaltensfristen bestehen. Auch die Unentgeltlichkeit der Weiterübertragung rechtfertige die Beibehaltung der Steuerbefreiung nicht.

Vor dem Hintergrund der bereits bislang sehr restriktiven Auslegung der Steuerbefreiungsvorschriften für das Familienheim durch den BFH war zu erwarten, dass der BFH im vorliegenden die Steuerbefreiung versagt. Auch wenn eine andere Auslegung möglich und wünschenswert gewesen wäre, ist die ausführlich begründete Entscheidung des BFH im Ergebnis gut vertretbar. Um die Behaltensfrist zu vermeiden, bietet sich daher eine lebzeitige schenkweise Übertragung des Familienwohnheims bzw. des Miteigentumsanteils hieran auf den (voraussichtlich länger lebenden) Ehegatten an. Diese Schenkung sollte allerdings zwingend mit einem Rückforderungsrecht des Schenkers für den Fall des Vorversterbens des beschenkten Ehegatten verbunden werden. So lässt sich vermeiden, dass der Schenker das Familienwohnheim als Erbe zurückerwirbt und damit der zehnjährigen Behaltensfrist unterliegt.

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