27.02.2019

Erbschaft-/Schenkungsteuer: Unzulässigkeit des Antrags auf Optionsverschonung vor Bestandkraft des Wertfeststellungsbescheids?

FG Münster vom 13.9.2018, 3 K 3699/16 Erb, 3 K 1727/17 Erb, 3 K 1285/18 Erb

Anstelle der so genannten Regelverschonung (Verschonungsabschlag 85% des Werts des begünstigten Vermögens), die antragsunabhängig kraft Gesetzes zu gewähren ist, kann auf Antrag die Options- oder Vollverschonung (Abschlag 100%) gewährt werden. Voraussetzung für die Gewährung der Optionsverschonung ist, dass im Zeitpunkt der Steuerentstehung die Verwaltungsvermögensquote maximal 20% beträgt. Weitere Voraussetzungen müssen zu anderen Zeitpunkten eingehalten werden. Über die Verwaltungsvermögensquote wird im Rahmen eines gesonderten Wertfeststellungsverfahren (§§ 151 ff. BewG) entschieden.


Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, bis zu welchem Zeitpunkt der Steuerpflichtige den entsprechenden Antrag spätestens stellen kann. Die Finanzverwaltung lässt eine Antragstellung nur bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft des Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerbescheids zu (R E 13a. 13 Abs. 2 S. 2 ErbStR 2011; R E 13a Abs. 2 S. 2 ErbStR-E 2019). Da der Antrag unwiderruflich ist, also insbesondere nicht zurückgenommen werden kann, wenn sich im Rahmen der Wertfeststellung herausstellt, dass die Verwaltungsvermögensquote von 20% überschritten ist, sollte mit dem Antrag so lange gewartet werden, bis das Wertfeststellungsverfahren abgeschlossen ist. Geradezu hinterhältig ist die Rechtsauffassung der Steuerverwaltung, dass bei Stellung des Antrags in bestimmten Konstellationen nicht nur die Optionsverschonung, sondern auch die Regelverschonung entfällt, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Verwaltungsvermögensquote von 20% überschritten wird (R E 13a.13 Abs. 3 ErbStR 2011; R E 13a.21 Abs. 4 Satz 2 ErbStR-E 2019). Regelmäßig ist aber die Schenkungsteuerveranlagung deutlich schneller abgeschlossen als das gesonderte Feststellungsverfahren nach den §§ 151 ff. BewG, so dass die Schenkungsteuerbescheide formell und grundsätzlich auch materiell bestandskräftig werden, bevor über die Verwaltungsvermögensquote endgültig entschieden ist.


Das FG Münster, das insgesamt drei Fälle zu dieser Fragestellung zu entscheiden hatte, gegen die Nichtzulassungsbeschwerden anhängig sind, gestand zwar zu, dass es ein Bedürfnis des Steuerpflichtigen gebe, mit dem Antrag auf Optionsverschonung bis zum Abschluss des Feststellungsverfahrens nach den §§ 151 ff. BewG zu warten, verneinte aber im Ergebnis die Möglichkeit einer nachträglichen Wahlrechtsausübung. Das FG Münster begründete seine Auffassung damit, dass ein Vorläufigkeitsvermerk nur im Hinblick auf den angeordneten Umfang der Vorläufigkeit wirke, die Feststellung der Verwaltungsvermögensquote kein rückwirkendes Ereignis sei und der Wertfeststellungsbescheid die materielle Bestandkraft allenfalls insoweit durchbreche, als er zu einer Änderung der Verwaltungsvermögenquote über oder unter die Grenze von 20% führe (letztlich offengelassen). Außerdem könne der Steuerpflichtige den Eintritt der materiellen Bestandkraft durch die Einlegung von Rechtsbehelfen verhindern.


U.E. ist die Rechtsauffassung des FG Münster und die Verwaltungsauffassung sachlich unzutreffend und verstößt im Ergebnis gegen elementare rechtsstaatliche Grundsätze. Es kann dem Steuerpflichtigen nicht zugemutet werden, den Optionsantrag ins Blaue hinein zu stellen, wenn er infolge der verqueren Verwaltungsauffassung zum Verlust auch der Regelverschonung Gefahr läuft, massive Nachteile zu erleiden. Gleichwohl ist die Verwaltungsauffassung und die Rechtsprechung des FG Münster ernst zu nehmen: Bis auf Weiteres ist darauf zu achten, dass der Erbschaft-/ Schenkungsteuerbescheid nicht materiell bestandskräftig wird, bevor der Steuerpflichtige sich sicher ist, ob er den Optionsantrag stellen möchte oder nicht. Zur Vermeidung der materiellen Bestandskraft sollte Einspruch eingelegt werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, da dieser durch Zeitablauf nach § 164 Abs. 4 AO entfällt. Sofern das Finanzamt das Einspruchsverfahren nicht ruhen lässt, sondern den Einspruch bspw. mangels Beschwer als unzulässig verwirft oder als unbegründet zurückweist, muss gegebenenfalls Klage beim Finanzgericht erhoben werden, um den Eintritt der materiellen Bestandkraft zu verhindern.

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