25.04.2018

Erbschaft-Schenkungsteuer – keine Berücksichtigung einer zukünftigen Steuerbelastung bei den Wertfeststellungen für Zwecke der Erbschaftsteuer

Der BFH hat am 27.9.2017 (II R 15/15) entschieden, dass eine zu-künftige ertragsteuerliche Belastung (latente Steuer) bei der Wertfeststellung für Zwecke der Erbschaftsteuer nicht zu berück-sichtigen ist. Diese Entscheidung war zu erwarten, da der BFH in der Vergangenheit schon mehrfach Gelegenheit gehabt hat, sich mit dieser Frage zu beschäftigen und wiederholt die Berücksich-tigung latenter Steuern bei der Wertermittlung ausgeschlossen hat.


Die Entscheidung des BFH ist aber vor dem Hintergrund interessant, dass sich der BFH erstmals mit der Rechtsprechung des BGH auseinandergesetzt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH müssen nämlich bei der stichtagsbezogenen Bewertung von Vermögensgegenständen für Zwecke des Zugewinnaus-gleichs oder im Rahmen der Pflichtteilsberechnung die zukünf-tigen Ertragsteuern aus der Veräußerung berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob die Veräußerung tatsächlich beabsichtigt ist. Nach Auffassung des BFH sei dies darauf zurückzuführen, dass der BGH den Verkehrswert danach ermittelt, was bei einer Ver-äußerung dem Veräußerer als Erlös verbleibt. Für Zwecke der Erbschaft-steuer sei dagegen nicht ein etwaig zu erzielender Veräußerungsgewinn maßgeblich, vielmehr sei nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG der Preis zu suchen, der im gewöhnlichen Geschäfts-verkehr nach der Be-schaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Auf dem bei einer Veräußerung erzielbaren Gewinn stelle die Vorschrift nicht ab. Nach Auffas-sung des BFH muss also auf den Kaufpreis ohne Berücksichtigung der darauf entfallenden Einkommensteuer abgestellt werden.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich der BFH weder mit den Ausführungen des BGH dediziert auseinandersetzt noch das einfache Recht, vorliegend das steuerliche Bewertungs-recht, an den verfassungsrechtlichen Vorgaben misst und auslegt.


Wie der BGH zutreffend ausführt, ist für die Wertermittlung des Zugewinnausgleichsanspruchs  auf den objektiven Verkehrswert des jeweiligen Vermögensgegenstandes zum abzustellen. Der BGH betont ausdrücklich, dass es nicht auf den Veräußerungsfall ankommt, sondern vielmehr um die Nutzungsmöglichkeit des Unternehmens für den Inhaber, was dessen Verwertbarkeit für den Inhaber voraussetzt. Deswegen ist der am Markt erzielbare Wert abzüglich der latenten Ertragsteuern maßgeblich, denn nur über dieser Nettoerlös verbleibt dem Unternehmer als Ver-mögenswert. Die Parallelen zum Erbschaftsteuerrecht sind offensichtlich:


Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 7.11.2006 gefordert, dass die Anknüpfung an die in der Bereicherung zum Ausdruck kommende steuerliche Leistungsfähigkeit eine Bewertung des Ver-mögenszuwachses zum gemeinen Wert erfordere, da nur der gemeine Wert den durch Substanz-erwerb vermittelten Zuwachs an steuerlicher Leistungsfähigkeit zutreffend abbilde und damit eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Belastungsent-scheidung ermögliche. Gem. § 9 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäfts-verkehr bei einer Ver-äußerung zu erzielen wäre. Der gemeine Wert wird also durch den bei „bei einer Veräußerung unter objektivierbaren Bedingungen erzielbaren Preis“ bemessen oder mit anderen Worten, bei der Be-wertung ist die Perspektive eines gedachten Erwerbers zugrunde zu legen.


Dies deckt sich mit der Feststellung des BGH, dass im Rahmen der Wertermittlung der Wert gefunden werden muss, der bei einer Veräußerung des Gegenstandes dem Veräußerer netto, also nach Abzug der anfallenden Steuern verbleibt.


Die Auslegung des BFH dagegen ist mit diesen verfassungs-rechtlichen Vorgaben nicht in Einklang zu bringen.


Aber selbst wenn man mit BFH § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG so auslegt, dass es allein auf den maßgeblichen Kaufpreis des Käufers an-kommt, kommt man entgegen der Auffassung des BFH dazu, dass die latenten Ertragssteuern zu berücksichtigen sind. Der BFH ver-nachlässigt in seiner Ausführungen den Umstand, dass in allen Fällen, in denen steuerverstrickte Wirtschaftsgüter im Rahmen der Erbfolge oder vorweggenommenen Erbfolge (Schenkung) auf einen Erwerber übergehen, der Erwerber die Buchwerte fort-setzen bzw. sich Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers zu-rechnen lassen muss und damit die stillen Reserven des Rechts-vorgängers versteuern muss. Dies hat zur Konsequenz, dass ein gedachter Käufer die Steuern, die bei einer späteren Ver-äußerung auf die stillen Reserven des Rechtsvorgängers zurück-zuführen sind, bei der Kaufpreisfindung berücksichtigen würde. Insoweit unterscheidet sich der unentgeltliche Erwerb vom entgeltlichen Erwerb.


Aus diesen Gründen vermag die Entscheidung des BFH nicht zu überzeugen.


Aus dem Umstand, dass nach Auffassung des BFH ein Wirtschafts-gut/Unternehmen mit hohen latenten Steuern denselben Wert hat wie ein Wirtschaftsgut/Unternehmen ohne latente Steuern, ergibt sich die Aufgabe für die Gestaltungspraxis zu prüfen, ob bei hohen latenten Steuern eine Gestaltung mit Gewinnrea-lisierung beim Erblasser/Schenker unter Vermeidung der Doppel-belastung mit Einkommen- und Erbschaft-/Schenkungsteuer beim Rechtsnachfolger gegenüber der klassischen unentgeltlichen Übertragung vorzuziehen ist.

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