07.02.2018

Erbschaft-/Schenkungsteuer – Disquotale Ausschüttungen/Disquotale Einlagen

Am 24.01.2018 hat der 2. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) drei Entscheidungen vom 13.09.2017 veröffentlicht (II R 54/15; II R 32/16 und II R 42/16), die mit einer seit dem Jahr 1995 ständigen Rechtsprechung brechen. Der BFH hatte es seit dieser Zeit abgelehnt, in Fällen disquoter Ausschüttungen eine Schenkung auf Gesellschafterebene anzunehmen.

Beispiel:

An einer GmbH sind der Vater zu 1% und der Sohn zu 99% beteiligt. Der Vater legt in die GmbH EUR 1 Mio. ein, die bei der Gesellschaft in die Kapitalrücklage gebucht werden. Durch diese Einlage wächst dem Sohn Ausschüttungspotential im Umfang von 99% des eingelegten Betrages zu.


Der BFH vertrat die Auffassung, dass darin keine Schenkung des Vaters an den Sohn im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (freigebige Zuwendung) zu sehen sei. Nach zunächst anhaltendem Widerstand der Steuerverwaltung gegen diese Rechtsauffassung schuf der Gesetzgeber im Jahr 2011 den Fiktionstatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG, der es erlaubt, den Wertzuwachs in der Beteiligung des Sohnes der Schenkungsteuer zu unterwerfen. Diese Vorschrift ist weit ausgreifend und erfasst nach ihrem Wortlaut eine Vielzahl von Sachverhalten, die nicht besteuerungswürdig sind. Ihre Anwendung ist deshalb äußerst umstritten, eine Klärung der vielfältigen Auslegungsfragen ist nicht in Sicht.

Auch im Fall disquotaler Ausschüttungen vertrat der BFH die Auffassung, dass eine freigebige Zuwendung nicht vorliege.

Beispiel (BFH v. 07.11.2007 – II R 28/06):

Der Gesellschaft-Geschäftsführer einer Verlags-GmbH veranlasst, dass seiner Ehefrau für ihre Lektorentätigkeit eine überhöhte Vergütung bezahlt wird.


Der BFH vertrat die Auffassung, dass nicht etwa eine (verdeckte) Ausschüttung an den Ehemann und von dort eine Schenkung an die Ehefrau vorliege, sondern dass eine Schenkung von der GmbH an die Ehefrau zu besteuern sei. In der Folge dieser Rechtsauffassung änderte der Gesetzgeber das Gesetz und regelte, dass diese angebliche Schenkung in der Steuerklasse I zu besteuern sei (§ 15 Abs. 4 ErbStG).

In einer weiteren Entscheidung (BFH v. 30.01.2013 – II R 6/12) lehnte es der BFH ab, in einer disquotalen Ausschüttung eine Schenkung seitens der Gesellschaft an den begünstigten Gesellschafter zu sehen. Auch im Verhältnis der Gesellschafter war der BFH der Meinung, dass eine Schenkung nicht vorliege, weil der Vermögensvorteil des begünstigten Gesellschafter nicht „auf Kosten“ der anderen Gesellschafter erfolge, wie dies § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG fordere. Dieses Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG interpretierte der BFH im Sinne eines strengen Unmittelbarkeitserfordernisses.

Nunmehr scheint der BFH seine Rechtsprechung in allen Punkten zu ändern, die für die dargestellte Rechtsprechung zentral waren. Zwar sind die Entscheidungen des BFH zu dem Beispielsfall einer verdeckten Gewinnausschüttung in Form einer von einem Gesellschafter veranlassten überhöhten Vergütung ergangen. Man wird den vom BFH gegebenen Hinweisen jedoch entnehmen müssen, dass die gesamte Rechtsprechung des BFH zu dem Problemkreis der disquotalen Ausschüttungen und der disquotalen Einlagen einer breit angelegten Revision unterzogen wird.

Bis diese Rechtsprechung verlässliche Konturen entwickelt haben wird und auch die Steuerverwaltung sich festlegen wird, wie sie einschlägige Sachverhalt zukünftig behandeln wird, werden voraussichtlich noch Jahre ins Land gehen. Vor diesem Hintergrund ist bei Gestaltungen, die Einlagen oder Ausschüttungen zum Gegenstand haben, die von den Gesellschaftern abweichend von den Beteiligungsquoten erbracht werden (disquotale Einlagen) oder die ihnen abweichend von den Beteiligungsquoten zufließen (disquotale Ausschüttungen), zu höchster Vorsicht zu raten. Derartige Gestaltungen sollten nur nach einer umfassenden Abschätzung der möglichen Rechtsfolgen überhaupt in Betracht gezogen werden.

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